Freitag, 27. November 2009

Neue Erwachsenenbildung: Humor, Lachen, Sanftmut

Die Krise hat unsere Welt verändert. Und alles was unsere Welt verändert ist auch schon eine Krise. Beginnend mit dem kommenden Klimawandel, der sich zuvor noch in einige Krisen verzetteln muss, bis hin zur Finanzkatastrophe.
Wer vor einem Jahr kein Geld hatte, der war arm - wer jetzt kein Geld hat, ist ein Opfer der Krise. Somit hat uns die Krise geholfen, einen Universalschuldigen an allem Missgeschick des Lebens zu finden: die Krise.
Um die Hinterfotzigkeit dieser Krise richtig zu erfassen, muss man alle Winkel unseres Alltags beleuchten. Und so ist es kein Wunder, dass die Krise selbst vor zwischenmenschlichen Beziehungen bzw. der Atmosphäre am Arbeitsplatz nicht Halt macht. Flinke Krisengewinnler wie etwa Meinungsforscher und Privatgelehrte haben so bereits erhoben, dass die Krise Humor und Toleranz im Berufsalltag erbarmungslos vernichtet hat. Statt dessen herrschen jetzt bitterer Ernst und Aggression. Wer noch kürzlich seine Kollegenschaft mit frohem Witz erheiterte, deprimiert jetzt die Kantinengemeinschaft mit hängenden Mundwinkeln und Schultern. Wer ehedem noch wegen seines Sanftmutes und seiner Jähgüte beliebt war, dem weichen nun alle Mitarbeiter aus, um seiner krisenbedingten Bösartigkeit und seines Jähzorns zu entgehen.
Doch wo eine Krise, dort auch sogleich Krisenlöser. Und so unveröffentlicht kann eine Studie noch gar nicht sein, dass nicht auch schön uneigennützige Problembewältiger zur Beratung schreiten.
Ehemalige CliniClows etwa haben blitzschnell reagiert und gucken nun umwerfend komisch mit ihren roten Nasen unter Schreibtischen, Werkbänken oder hinter Aktenschränken in Großfirmen hervor. Ältere Arbeitnehmer erinnern sich dann sofort an ähnliche Frohgesinnte zu Zeiten, als es noch kein Alkoholverbot am Arbeitsplatz gab und fühlen sich in ihrer krisenunsicheren Arbeitswelt gleich wieder viel wohliger.
Mit neuer Leichtigkeit wird so dem bislang missmutigen Werktätigen klar, dass die eigentliche Krise mit dem Beginn der 0,0 Promille datiert.
Aber auch für jene Kollegen, welche durch diese Erkenntnis noch nicht zum richtigen Handeln angeleitet werden, bietet die Personalabteilung heutzutage eine Möglichkeit zur Weiterbildung: Lach-Yoga-Kurse.
Jetzt lachen’s bitte nicht, das ist ganz Ernsthaft. In solchen Seminaren treffen sich tiefunglückliche, lachabstinente Menschen und üben das laute, belästigende Lachen. Das ist dann so etwas wie die Weight Watchers - eben für die Lachmuskeln. Oder die „Anonymen Nur-im-Keller-Lacher“. Anfangs dachte ich, dass hier über und dank eingelernter Witze gelacht wird. Also der Vorlacher sagt z.B. nur „Witz 21“, alle kennen den Witz 21 und brüllen sofort lauthals vor Vergnügen. Inzwischen weiß ich allerdings, dass die Brülllacher in ihrer Ausbildung keine kollektiven Vorlagen benützen, sondern auf Befehl ganz nach individuellen Mentalbildern gemeinsam minutenlang loslachen. Der unterdrückte, lachlose Ehemann stellt sich etwa vor, wie seine dominante Gattin das gemeinsame Auto zu Schrott fährt und lacht sich darüber selbst kaputt. Typisch Lach-Yoga - mit der richtigen Einstellung ist alles zum Lachen.
Gegen die viel weiter fortgeschrittene Form der Humorlosigkeit möchte jetzt sogar die Gewerkschaft eine Art Eingreiftruppe aufbauen: gegen die Aggression und das Mobbing am Arbeitsplatz. Diese weiteren Kinder der Krise lassen tatsächlich Jedem das Lachen vergehen. Und stellt psychologischen Handlungsbedarf dar. Denn wer einen Kollegen anspuckt, einer Kollegin auf den Po greift oder einem Ex-CliniClown zornig auf die rote Nase haut, der ist schon sehr krisengeschüttelt.
Wie solche Geschüttelte wieder zur Sanftmut finden können - das überlegen eben jetzt Gewerkschafter und Experten. Erfolgreiche Überzeugungsarbeit könnte ich mir inzwischen nur so vorstellen: man mixt einige der Krisenlösungen. Es dürfen Kollegen zwar weiterhin angespuckt werden, aber nur in der Form von prustendem Lachen. Es darf Kolleginnen weiterhin auf den Po gegriffen werden, aber nur wenn sich zwischen Gesäß und Hand ein Lacksack befindet. Und man darf Mitarbeitern auch schallende Ohrfeigen verabreichen - allerdings muss dazu schallend Lach-Yoga praktiziert werden.
Somit verschone ich Sie mit weiteren Lachorgien und hoffe, Sie finden im gerade stattfindenden Fasching genug Lachmomente.