Freitag, 4. September 2009

Was wir von Putzfrauen lernen können


Dieser Beitrag erscheint auch im Magazin „Das Grüne Haus“, Ausgabe September, # 9.09. in der Rubrik „Dieters Baustelle“

Meine Putzfrau (für Internetuser: myputze) ist ein Schatz. Ein echter, richtiger Schatz. Denn die Bezeichnung „Putzfrau“ ist nicht völlig korrekt. Denn als waschechte Putzfrau kennt auch meine keinen Kalender und keine Uhr.
Was dazu führt, dass sie einmal kommt, einmal nicht kommt und das dann auf jeden Fall nicht zur vereinbarten Uhrzeit. Selbstverständlich total unverschuldet und immer mit neuen katastrophalen Auslösern. In beliebiger Reihenfolge sind dann bösartige Straßenbanhfahrer, Kinder, Verwandte, die gestörte U-Bahn, das Glatteis, die Hitze, jene Objekte, an denen sich meine Putzfrau abputzt. Sohin wäre die korrekte Bezeichnung eigentlich „Abputzfrau“, aber dieser Begriff hat in den Kollektivvertrag noch nicht Eingang gefunden, also bleiben wir bei Putzfrau. In dieser Hinsicht ist meine Putzfrau allerdings ein ausgesprochener Profi. Blitzschnell bewegt sie die Staubsaugerbürste über die Böden, ganz so, als würde sie dem Staub keine Chance lassen. Aber, so frug ich mich, wie kann es möglich sein, dass bei wochenlanger Benutzung das Beutelchen im Staubsauger nie voller, geschweige denn zum Wechseln voll wird? Antwort: dank der hastigen Bewegungen wirbelt der Staub widerwillig in die Höhe und die gierige Saugbürste fährt ins Leere. Seit ich meine Putzfrau eine Stunde länger beschäftige, hat sich mein Budget fürs Putzen auch um den Posten Staubsaugerbeutel bedeutend vergrößert.
Dabei muss ich zugestehen, dass ich mit meiner Reinigungsperle einen Glücksgriff tat. Denn wie mir ihr Erzählungen vor Augen führen, geht’s auch echt schlimm. Zum Beispiel mit Haushaltshilfen aus dem ehemaligen Jugoslawien, wo immer das heute sein mag. Sie machen einen Lern-, Umdenk- und manchmal auch Gerichtsprozess notwendig. Lernen heißt’s zunächst einmal die postjugoslawische Sprache. Schließlich hat die Rose des Balkans ihre Heimat ja verlassen, um zu putzen und nicht um eine Fremdsprache zu lernen. Also muss am Anfang die Gestik herhalten, um die Fremdputzin durch den Haushalt zu navigieren. Ein Aufwand, der sich lohnt, lernt man doch so die Lieblingslagerstätten des heimischen Staubs kennen. Und ein Wissen, das sich ebenfalls sofort in die Praxis umsetzen lässt, weiß doch die neue Reinigungsbeauftragte mit dem Wort „Staub“ nichts rechtes anzufangen.
An der Stätte ihrer Geburt ist dies Sand, Mitbringsel des Windes, Anpassung der Wohnlandschaft an die Natur der Umgebung – kurzum nichts Ungewöhnliches oder gar Wegwischwerfbares. Hier ist die Rhetorik der reinheimischen Hausfrau überaus gefragt, um mit ihrer Theorie „Staub ist Gaga“ zu überzeugen. Weitere Überzeugungskraft ist dann noch notwendig, wenn es darum geht, zu erklären, dass WC-Enten nicht in der Muschel schwimmen und dann runtergespült werden, dass Glasreiniger das Geschirrspülmittel nicht ersetzen und dass Opti-Holzpflege zwar für Böden, aber nicht für Zimmerpalmen gut ist. Letztmögliche Strapazierung der Nerven stellt dann die Bedienanleitung des Staubsaugers und anderer Haushaltsgeräte dar. Ok, es ist der guten Frau aus dem Süden an sich nicht übel zu nehmen, dass sie sich beim Anblick einer solchen Ballung von Hightech ein wenig schreckt. Schließlich ist es ihr ja auch noch nie in den Sinn gekommen, eine Führerscheinprüfung abzulegen. Und jetzt diese technische Herausforderung…
Dem Vernehmen nach gelingen derartige Einschulungen innerhalb einiger Wochen zumeist perfekt. Die biedere Frau aus dem Billigurlaubsland spricht weiterhin nicht Deutsch und meidet den Staub. Die heimische Hausfrau hat endlich gelernt, ihre Weinkrämpfe und Wutausbrüche zu koordinieren.
Zum Trost: die Haushaltsperlen aus dem Süden spenden auch viele Erholungspausen. Mehrmals bis sehr oft im Jahr finden Begräbnisse von lieben Verwandten in der Heimat statt. In großen Familien gibt’s auch immer was zu feiern, von Geburt bis Hochzeit und Feiertage werden offenbar mangels Kalender erfunden. Die intensive Einschulung ihrer Hilfe macht’s jedenfalls möglich: in Abwesenheit können Sie sie leicht ersetzen!