Freitag, 20. März 2009

Krisen-Hopping

Bis vor kurzer Zeit hat bestenfalls ein Blick in den Spiegel eine Krise ausgelöst. Das nannte man dann Midlife-Krise und die war dank Kosmetik, Chirurgie oder Ableben behebbar. Nunmehr ist allerdings eine Art Fulllife-Krise ausgebrochen, die jeden, in jedem Lebensbereich und in jedem Alter betrifft.
An die Stelle des Spiegels sind Zeitungen, Fernsehen und Radio getreten und Krisen werden nicht mehr behoben, sondern entwickelt. Ganz im Sinne des Umweltschutzes wird auch nicht gefahren, sondern Banken, Medien, Industrie, Handel und Regierungen schlittern in die Krise. Da das Schlittern Kindheitserinnerungen weckt und sohin eine fröhliche, unbeschwerte Tätigkeit ist, werden von hochkarätigen Diskussionsrunden auch immer wieder Wege aus der Krise in eine andere skizziert.
Ich weiß nicht, ob es bereits Lehrgänge an Universitäten oder Abendkurse für Entwickler innovativer Krisen gibt. Ich weiß auch nicht, ob die EU-Kommission bereits daran denkt, dass in jedem Betrieb ein Beauftragter für die Entwicklung und Instandhaltung einer innerbetrieblichen Krise etabliert werden muss. Schließlich gibt es zwar bereits ganz wenige Krisenmanager, die sich jedoch im Krisenfall echt hilflos erwiesen haben.
Anhand der derzeitigen Situation ist es ja nicht unschwer zu erkennen, dass es qualifizierter Krisenentwickler bedarf, um einer kleinräumigen Krise globale Dimensionen zu geben. Und hier sind auch nur jene Profis erfolgreich, die mit einer Krise gleich noch weitere auslösen. Wodurch der einfache Bürger seinen Geist dank Krisen-Hopping fit hält.
Nehmen wir als Beispiel einfach die Autoindustrie. Totale Krise. Jede Marke hat mit großem Aufwand riesige Autos, sogenannte SUVs (Sehr Unvernünftiges Vehikel), entwickelt und auf den Markt gebracht. Wenn bei schrumpfenden Parkraumangebot, steigenden Spritpreisen, strengeren Umweltauflagen und fallendem Vermögen die Verdrusskisten immer voluminöser, durstiger, abgasiger und teurer werden, dann würde auch ein unbedarfter Heimwerker stolz verkünden: „Ich hab’ mir meine Krise selbst gemacht!“
Zum Glück geht’s ja weiter und dank dem Geld der Steuerzahler ist die Autoindustrie beim Öko-Sport Krisen-Hopping voll dabei. Die nächste Krisenvision heißt Elektroauto.
Da geht jede Menge Cash locker in die Binsen. Na gut, dafür wird der lautlose Flitzer den 3-fachen Kaufpreis bedingen. Man wird im komfortlosen Kleinwagen 150 km, mit heute üblicher Ausstattung eher 100 km täglich unterwegs sein können – ehe man sich eine passende Steckdose sucht, über die man die Akkus sieben Stunden lang auflädt.
Ein Milliardengeschäft, träumen die Krisenmanager der Industrie bereits und hoffen auf riesige Erfolgsprämien. Gibt es doch dann gleich eine Vielzahl an Krisen zu managen! Die Versorgungskrise – wo kann ich mein Auto sieben Stunden parken und gleichzeitig „auftanken“? Die Stromkrise – wo kommt die Energie für die Elektroautos her? Die Entsorgungskrise – wohin mit dem Sondermüll Batterien?
Wie gut, dass dann die Luft sehr viel reiner und klarer sein wird. So werden wir die neuen Krisen viel klarer sehen und die nächsten Krisen leichter erkennen.